Lernsituation

Kaffee

               

 

 

 

Kaffee als Lernhilfe?

Für viele Menschen beginnt der Tag erst nach der morgendlichen Tasse Kaffee. Seine Fähigkeit als Wachmacher ist unumstritten, aber hilft er auch im kognitiven Bereich? Genauer gesagt: Hat Koffein auch eine positive Wirkung auf das Gedächtnis? Können Lernende von einer Tasse Kaffee vor dem Lernen bzw. vor der Prüfung ihre Leistungen verbessern? Um diese Frage zu erörtern, sollen im Folgenden einige Erkenntnisse vorgestellt werden, die aus verschiedenen Arbeiten zu diesem Thema hervorgegangen sind.

Altersabhängigkeit

JARVIS untersuchte 1993 eine große Stichprobe aus 9000 Personen, die u. a. Angaben zu ihrem täglichen Kaffee- und Teeverbrauch machten und eine unangekündigte Gedächtnisaufgabe bewältigen mussten. Es ergab sich eine signifikante Korrelation zwischen Koffeinverbrauch und Gedächtnisleistung. Jedoch schien das Lebensalter einen erheblichen Einfluss dadurch zu nehmen, dass dieser Effekt vor allem bei Personen über 55 Jahren auftrat. JARVIS zog daraus den möglichen Schluss, dass a) es keine absolute Gewöhnung an Koffein gibt, sondern immer wieder ein Profit auftritt und b) dieser Effekt hauptsächlich dadurch zu Stande kommt, dass altersabhängige Defizite nivelliert werden.

Auch andere Studien behandelten den Zusammenhang zwischen Alter und Effekten von Koffein: HOGERVORST et al. (1998) teilten ihre Versuchspersonen in drei Altersgruppen ( Æ = 29, 49 bzw. 69 Jahre) ein, gaben ihnen Kaffee mit oder ohne Koffein und ließen sie sich eine Wortliste unter Ablenkung durch Störreize einprägen, wobei sie das Kurzzeitgedächtnis (KZG), die Anzahl der gemerkten Wörter und das Behalten nach 20min prüften. Koffein wirkte sich hier dadurch aus, dass die mittlere Altersgruppe mit Koffein signifikant besser in der Prüfung des KZG (Behalten nach einmaligem Vorlesen der Liste) abschnitt als ohne. Außerdem fiel auf, dass diese Gruppe auch den höchsten angegebenen Koffeinverbrauch hatte, was zwei Interpretationen zulässt: Zum Einen könnte sich bei derjenigen Teilgruppe, die entkoffeinierten Kaffee bekommen hatte, eine schlechtere Leistung durch den Entzug eingestellt haben; andererseits mag diese Altersgruppe auch am Meisten vom Koffein profitiert haben, da sich bei den jüngeren Leuten noch kein ausgeprägtes kognitives Defizit eingestellt hatte, während dieses bei der ältesten Gruppe schon zu stark war, um vom Koffein verwischt zu werden.

Fazit:

Auch wenn es sich um einzelne Ergebnisse handelt, ergeben diese beiden Studien zusammengefasst den Trend, dass sich positive Effekte des Koffeins auf solche Altersgruppen beschränken, bei denen schon ein altersabhängiges, kognitives Defizit zu verzeichnen ist. Koffein kann suboptimale Leistungen wieder herstellen. Jüngere Personen sollten sich keine großartigen Effekte versprechen!

Befunde an jüngeren Leuten

 

HINDMARCH et al. (1998) fanden bei einer jungen Stichprobe (Æ = 29,2 J.) keine Effekte von Koffein auf das Gedächtnis. Allerdings benutzten sie auch nur eine recht geringe Dosis von 100mg (HOGERVORST: 225mg), wodurch die Möglichkeit besteht, dass die eingesetzte Aufgabe (Durchsuchen eines Textes nach vorher angegebenen Zeichen) nicht sensitiv genug für den Einsatz einer solch geringen Dosis ist. Im Unterschied zu anderen Studien setzten sie neben Kaffee auch Tee ein, um evtl. Effekte, die allein auf den Tee zurückzuführen sein könnten, überprüfen zu können.

WARBURTON (1995) fand dagegen einen Effekt von Koffein bei einer geringen Dosis von bis zu 150mg auf die Leistung beim verzögerten Abruf einer Wortliste. Dies wurde an einer Stichprobe von regelmäßigen Kaffeetrinkern untersucht. Auch hier lag das Lebensalter relativ niedrig, zwischen 18 und 30 Jahren.

Fazit

Der einzig signifikante Effekt bezieht sich auf den verzögerten Abruf einer Wortliste. Weitere Untersuchungen, v. a. mit einer Variation der Koffeindosis wären notwendig, um differenziertere Ergebnisse zu erhalten.

Koffein-Entzug hemmt die Leistungsfähigkeit

JAMES (1998) konnte feststellen, dass sich die Einnahme von Koffein zwar nicht positiv auf das Leistungsvermögen auswirkt, die Entzugswirkung dagegen jedoch hemmend ist. Er gab einer Gruppe von regelmäßigen Kaffeetrinkern sechs Tage lang entweder Koffein oder Placebo und am siebten Tag ebenfalls Koffein oder Placebo, wodurch vier verschiedene Gruppen entstanden, die u. a. die chronischen (Koffein => Koffein) bzw. akuten (Placebo => Koffein) Effekte von Koffein repräsentieren sollten. Bei einer Aufgabe, in der 2, 4 oder 6 vorher eingeprägte Buchstaben in einem größeren Set gesucht werden sollten, fiel nur die Koffein => Placebo-Gruppe durch signifikant schlechtere Leistungen auf; alle anderen Gruppen unterschieden sich dagegen nicht. Eine positive Wirkung von Koffein hätte sich in diesem Design durch signifikant bessere Leistungen der chronischen oder akuten Gruppe zeigen sollen.

Fazit

Während Koffein-Genuss die Leistung im Vergleich zu Nicht-Konsumenten zwar nicht erhöht, kann der Entzug einer gewöhnten Dosis gravierende Auswirkungen auf das Leistungsniveau haben. Vom Absetzen des Kaffees vor Prüfungen wird deshalb dringend abgeraten!

Stimmung und Arousal sind unabhängig vom Gedächtnis

 

Einen anderen Ansatz wählte dagegen HERZ (1999): Sie überprüfte, ob a) ein höheres Arousal (= Erregungsniveau im Gehirn) beim Lernen zu besserem Behalten führt und b) gleiche Stimmung während Lernen und Abruf einen positiven Effekt hat. Beide Hypothesen konnten nicht bestätigt werden. Zwar hatte Koffein den erwarteten Effekt, dass ein höheres (subjektiv angegebenes) Arousal herbeigeführt wurde, und auch die eigene Stimmung bzw. Aktivität und Müdigkeit wurde besser eingeschätzt. Bei einem überraschend durchgeführten Gedächtnisabruf von vorher bearbeiteten Wörtern konnte jedoch kein Unterschied festgestellt werden. Das durchschnittliche Alter betrug in dieser Studie 21,7 Jahre.

Fazit

Obwohl Koffein das allgemeine Aktivierungsniveau steigert und die Stimmung positiv beeinflusst, haben diese beiden Faktoren scheinbar keinen Einfluss auf die Gedächtnisleistung.

Zusammenfassung

Hat Koffein nun einen positiven Einfluss auf die kognitiven Leistungen, speziell auf das Gedächtnis? Wenn sie zu der Gruppe der jüngeren Leser gehören (bis ca. 30 Jahre), brauchen sie sich diesbezüglich wohl wenig Hoffnung zu machen. Wenn es ein Mittel gibt, das den studentischen Lernerfolg zu verbessern hilft, dann gehört Koffein nach diesen Ergebnissen nicht dazu. Wenn sich signifikante Einflüsse, wie in der Studie von WARBURTON finden lassen, dann sind diese meist vereinzelt und (nach meinem Wissensstand) nicht mehrfach repliziert worden. Allerdings sollten mit dem gleichen Vorbehalt auch diejenigen Ergebnisse betrachtet werden, die keine positiven Effekte des Koffeins hervorbrachten. Vor allem im Falle des "Morgen- oder Abend-Typs" sind weitere Untersuchungen notwendig, um sich mehr Klarheit zu verschaffen.

Wenn Koffein auch nicht das Leistungsvermögen an sich vergrößert, so hilft es doch, vorhandene kognitive Defizite zu auszugleichen. Dies zeigen die Ergebnisse derjenigen Studien, bei denen auch Gruppen höheren Alters in die Untersuchung einbezogen wurden. Gleiches gilt m. E. auch für jüngere Probanden, bei denen durch Müdigkeit ein Nachlassen der Merkfähigkeit zu Tage tritt. Allerdings gilt dies natürlich nur in einem bestimmten Rahmen, sofern es der körperliche Zustand zulässt, denn irgendwann ist immer einmal die Grenze erreicht, ab der man sich einfach Ruhe gönnen sollte. Zu beachten ist dabei auch, dass die Wirkung erst nach ca. 45min ihr Maximum erreicht, und nach dem Abbau der Substanzen im Körper ist man in der Regel müder als vorher.

Aus der Studie von JAMES geht hervor, dass sich die Entzugswirkungen von Kaffee äußerst negativ auf die Leistungsfähigkeit auswirken. Auch wenn diese Wirkungen innerhalb relativ kurzer Zeit nachlassen, sollte man als regelmäßiger Kaffeetrinker in Prüfungssituationen seinen Konsum nicht unbedingt einschränken.

Ähnliches trifft auch für ältere Menschen zu, bei denen Koffein in der Lage zu sein scheint, altersabhängig auftretende kognitive Defizite zumindest für eine gewisse Zeit auszugleichen. Ob dies für alle Altersgruppen gilt, oder, wie HOGERVORST meint, nur bis zu einer bestimmten Grenze, soll hier noch dahin gestellt sein.

 

Quelle

http://www.uni-bielefeld.de/psychologie/ae/AE07/NPAlltag/Kaffee/KAFBODY.HTML