Spezial

Diskussionsregeln

               

 

 

 

Quelle

Die folgenden Ausführungen beruhen auf:

Regula D. Schräder-Naef

Vorbereitung

Die Diskussion muss vorbereitet sein: Ziel einer Diskussion ist der Austausch von Gedanken, Argumenten, Kenntnissen. Wenn wir nicht im „luftleeren Raum" diskutieren wollen, benötigen wir dazu Unterlagen, z. B. Ergebnisse wissenschaftlicher Untersuchungen, Statistiken, Informationen aus Fachbüchern und -Zeitschriften. Statt den Teilnehmern diese Unterlagen zu Beginn oder im Verlauf der Diskussion auszuhändigen und zu warten, bis sich alle durch den Papierstapel durchgepflügt haben, ist es sinnvoller, sie so rechtzeitig vor der Zusammenkunft zu verteilen, dass sie von allen sorgfältig durchgearbeitet werden können. Auch wenn keine schriftlichen Unterlagen abgegeben werden können - wenn es beispielsweise darum geht, einen Konflikt unter Kollegen zu lösen - ist zu empfehlen, das Thema der Diskussion vorher allen Teilnehmern mitzuteilen, um ihnen zu ermöglichen, sich schon vorher damit auseinanderzusetzen.

Natürlich entstehen oft spontane, unvorbereitete Diskussionen - die aber häufig auch wieder abgebrochen werden, weil keiner wirklich Bescheid weiß - oder aber weil alle unbesehen demjenigen glauben müssen, der für sich in Anspruch nimmt, über genaue Kenntnisse zu verfügen.

Gruppengröße

Die Gruppe sollte weder zu groß noch zu klein sein: Wie viele Personen an der Diskussion teilnehmen sollen, hängt in erster Linie vom Ziel und vom Thema ab. Die Erfahrung zeigt, dass die Beteiligung der Einzelnen sehr unterschiedlich ist, wenn die Teil­nehmerzahl über acht steigt: während einzelne sehr viel sprechen, melden sich andere kaum oder gar nicht zu Wort. Nehmen nur drei oder vier Personen an der Diskussion teil, ist dagegen das Spektrum von Meinungen, Ideen und Informationen begrenzt; auch besteht die Gefahr, dass das Gespräch ins Persönliche abgleitet. Wird deshalb eine sachliche und anregende Diskussion gewünscht, an der sich alle Gruppenmitglieder gleichermaßen beteiligen, emp­fiehlt sich eine Teilnehmerzahl von 5-8.

Gleichberechtigung

Alle Teilnehmer sind gleichberechtigt: Ein echtes Gespräch mit freien Meinungsäußerungen kommt nur zustande, wenn alle Grup­penmitglieder gleichermaßen ernst genommen werden, wenn jedem zugehört und auf alle Beiträge eingegangen wird.

Redebeiträge

Kurz sprechen und beim Thema bleiben: Manche Teilnehmer überlegen erst dann, was sie sagen wollen, wenn ihnen das Wort erteilt wird. Sie „denken" dann laut und kommen dabei vielleicht zum Schluss, dass sie gar nichts zu sagen haben. Wenn wir uns auf eine Diskussion vorbereiten, notieren wir uns die Punkte, die uns wichtig erscheinen. Beim Anhören der Beiträge der anderen werden diese Überlegungen ergänzt, Gegenargumente, Anmerkungen, Kritik usw. einbezogen. Wir bemühen uns, mög­lichst klar und knapp zu formulieren, auf Wiederholungen und Abschweifungen zu verzichten und jeweils nur auf den Punkt einzugehen, der gerade im Gespräch ist.

Höflichkeit

Höflichkeit erleichtert die Diskussion: Manche Leute formulieren leicht und flüssig, andere haben etwas Mühe, ihre Gedanken in Worte zu fassen. Um zu verhindern, dass die ersteren ständig sprechen, die letzteren immer wieder unterbrochen werden, wenn sie gerade erst angefangen haben, empfiehlt es sich zu vereinbaren, dass sich die Teilnehmer melden müssen. Wer das Wort hat, hat das Recht auf Aufmerksamkeit und darauf, zu Ende sprechen zu können.

Zur Höflichkeit gehört auch, auf spöttische oder abwertende Zwi­schenrufe ebenso wie auf halblaute Kommentare oder Privatgesprä­che zu verzichten.

Respekt

Andere Meinungen respektieren: Sind alle Teilnehmer einer Mei­nung, kann sich keine Diskussion entwickeln. Die Anregungen, Denkanstöße beziehen wir vor allem von den Argumenten, mit denen wir nicht übereinstimmen.

Es hilft dem Gespräch nicht weiter, wenn wir schroff widerspre­chen, einen Standpunkt einfach als falsch oder unsinnig bezeichnen, ohne uns damit zu befassen. Oft ist es besser, wenn wir erst von den Gemeinsamkeiten ausgehen, hervorheben, wo Übereinstimmung besteht, bevor wir zu den kontroversen Punkten kommen. Äußert ein Teilnehmer einen Gedanken, der uns völlig fremd ist oder den wir nicht nachvollziehen können, fordern wir ihn auf, uns die Überlegungen näher zu erläutern, die zu seiner Behauptung geführt haben.

Diskussionsleiter

Der Diskussionsleiter kontrolliert das Einhalten der Spielregeln: Ein Teilnehmer wird zum Diskussionsleiter gewählt, wobei bei regelmä­ßigen Zusammenkünften die Leitung im Turnus jedem Mitglied übertragen werden kann.

Der Diskussionsleiter führt in das Thema ein, nimmt die Wortmel­dungen entgegen, achtet darauf, dass sachlich diskutiert und nicht abgeschweift wird.

Die Aufgabe, Vielredner dazu zu bringen, sich kurz zu fassen, Weitschweifige auf den zur Diskussion stehenden Punkt zurückzu­holen und Ungeübten zu helfen, ihre Gedanken klar auszudrücken, erfordert einiges Fingerspitzengefühl.

Entsteht eine längere Pause, kann der Diskussionsleiter die bisheri­gen Ergebnisse zusammenfassen und auf die noch offenen Punkte verweisen. Natürlich kann auch der Diskussionsleiter seine eigene Meinung vertreten. Um das Gespräch aber nicht gleich „abzuwür­gen", tut er gut daran, diese Meinung nicht gleich am Anfang zu verkünden. Bei der Leitung der Diskussion muss er darauf achten, dass er alle Teilnehmer gleichermaßen zu Wort kommen und zu Ende sprechen lässt und nicht diejenigen bevorzugt, deren Meinung mit seiner eigenen übereinstimmt.

An den Schluss stellt er eine Bilanz. Diskussionen enden natürlich nicht immer in Einstimmigkeit. Die Zusammenfassung besteht dann in der Darstellung der verschiedenen Standpunkte und der entsprechenden Argumente. Auch dabei muss er sich bemühen, alle Ansichten in gleicher Weise aufzuführen und nicht den eigenen mehr Raum zu gewähren.

Sprechzwang

Keiner wird zum Sprechen gezwungen: Natürlich ist es wünschens­wert, dass sich die ganze Gruppe an der Diskussion beteiligt. Manchen Leuten fällt es aber schwer, ihre Meinung frei zu äußern. Eine direkte Aufforderung zu sprechen, empfinden sie als „Über­rumpelung"; ihre Ängste werden dadurch wahrscheinlich nur ver­stärkt. Besser ist es deshalb zu warten, bis sich auch die schüchter­nen Mitglieder von selbst melden. Eine andere Möglichkeit besteht darin, sie zu bitten, sich zu einem bestimmten Thema Informatio­nen zu beschaffen, die sie dann den ändern weitergeben können. Wenn sie als „Experten" sprechen können, überwinden sie ihre Unsicherheit leichter.

Themen zentriert

Das Thema steht im Mittelpunkt: Gleichgültig, welches der Inhalt der Diskussion ist: zu einem echten Gespräch kommt es nur dann, wenn es allen Teilnehmern um die Sache und nicht um ihr persönli­ches Prestige geht.

Es besteht kein Grund, beleidigt zu reagieren, wenn wir uns mit unseren Vorschlägen nicht durchsetzen, oder aufzutrumpfen, wenn sich die Behauptung eines anderen als unrichtig erweist. Wenn in der Diskussion gemeinsam geprüft wird, welche Argumente fun­dierter, welche Beweise stichhaltiger sind, werden alle Teilnehmer von den Anregungen und Auseinandersetzungen profitieren, ob sie nun von ihrem ursprünglichen Standpunkt abgerückt sind oder dafür weitere Unterstützung gefunden haben.

Kritik

Kritisch bleiben: Um den im vorangehenden Kapitel erwähnten Gefahren zu begegnen, empfiehlt es sich, sich mit den Argumenten der anderen in Diskussionen ebenso kritisch auseinanderzusetzen wie mit schriftlichen Informationen: wir unterscheiden bei unseren eigenen Äußerungen, ob es sich um eine persönliche Meinung, eine Vermutung oder eine gesicherte Erkenntnis handelt - und analysieren die Aussagen der anderen in gleicher Weise. Bevor wir uns von Aussagen überzeugen lassen, prüfen wir, auf welcher Grundlage sie beruhen, ob die Quellen zuverlässig und die Informationen vollständig sind. Dies gilt auch dann, wenn sich die Gruppe schnell einig wird. Wir laufen weniger Gefahr, uns in unseren Vorurteilen nur gegenseitig zu bestätigen, wenn die Zusammensetzung der Gruppe öfter wechselt, wenn immer wieder neue Mitglieder aufgenommen werden oder wenn wir das Gespräch bewusst auch mit Kollegen und Bekannten suchen, die unsere Ansichten nicht teilen.