Spezial

Entspannung

               

 

 

 

 

Entspannungsübungen

Im Folgenden werden besonders populäre Entspannungsübungen vorgestellt. In der Reihenfolge Ihrer Vorstellung nehmen die Übungen an Vorberietungsaufwand zu: von der unmittelbar anzuwendenden Atemübung bis hin zum autogenen Training, das der mehrwöchigen Übung bedarf.

Atemübung

Wortklangmethode

Progressive Muskelentspannung

Innere Beruhigung

Autogenes Training

Atemübung

Atemübungen haben eine lange Tradition. Man kann sie zu den Körper-Feedback-Methoden zählen: Durch die Atmung in einem gewissen Rhythmus wird der Herzschlag automatisch angepasst. Zugleich wird die entspannende Wirkung des tieferen Pulses durch mentale Bilder unterstützt.

*       Ausatemzeit verlängern, ein wenig warten bis zum nächsten Einatmen;

*       die Ruhe vor dem nächsten Einatmen bewusst wahrnehmen

*       bei jedem Ausatmen kurz an seine Probleme denken, und sich vorstellen, diese mit dem Ausatmen wegzuatmen. Dazu kann man auch evtl. etwas heftiger/schneller atmen(seufzend ausatmen).

Alternative: an Meer denken; sich vorstellen, die Wellen kommen im eigenen Atemrhythmus; die Vorstellung des Meeres hat meist eine beruhigende Wirkung.

Entspannungsanweisung (etwas anderes System): Atmen Sie etwas tiefer ein als gewöhnlich und atmen in einem Atemzug wieder aus. Zählen Sie nun in Gedanken von 1 bis 5 oder 8 und atmen dann wieder ein, und OHNE den Atem nach dem Einatmen anzuhalten, atmen Sie in einer Bewegung wieder aus, halten den Atem nach dem Ausatmen an, zählen wieder von 1 bis 5 oder 8 und atmen wieder ein, in einem Atemzug wieder aus, ... usw. Machen Sie diese Atemübung für 3 bis 5 Minuten bzw. solange, bis Sie entspannt sind.

Wichtig sind hierbei vor allem 2 Dinge:

*       Halten Sie nach dem Einatmen den Atem nicht an, sondern atmen Sie in einer Bewegung wieder aus. Den Atem also erst nach dem Ausatmen anhalten und dann in Gedanken von 1 bis 5 oder 8 zählen.

*       Wenn Sie den Atem nach dem Ausatmen anhalten, dann zählen Sie unbedingt in Gedanken von 1 bis 5 oder 8. Durch das Zählen lenken Sie sich von ängstlichen und streßerzeugenden Gedanken ab. Entscheiden Sie selbst, wie lange Sie den Atem anhalten. Halten Sie den Atem jedoch nur so lange an, wie es für Sie gerade noch angenehm ist. Wenn Sie etwas entspannt sind, dann können Sie diesen Zustand der Entspannung noch dadurch vertiefen, daß Sie eine kleine Vorstellungsübung machen. Stellen Sie sich vor, Sie seien an einem für Sie schönen und angenehmen Ort, an dem Sie sich sehr wohl fühlen. Das kann eine Wiese sein, auf der Sie an einem lauen Sommertag liegen, oder am Strand im weichen und warmen Sand liegen oder ein schneebedeckter Berg, auf dem alles ruhig und friedlich ist. Verweilen Sie bei dieser Vorstellung einige Minuten und fühlen sich wohl.

Diese kleine Entspannungsübung können Sie immer dann einsetzen, wenn Sie sich angespannt, unruhig oder ängstlich fühlen. Sie können sie mit offenen oder geschlossenen Augen machen, im Stehen oder Liegen.

Wortklangmethode

Bei dieser Methode werde durch das stetige Wiederholen eines sinnlosen Wortes (Wortklang) die Gedanken „entspannt“. Als Wortklang kann z. B. „Aum“, oder „Om“. Wichtig ist dabei, dass das Wort keine Bedeutung assoziiert.

1.       Bequem sitzend mit geschlossenen Augen: ungefähr eine halbe Minute alle Wahrnehmungen zulassen.

2.       Gewählter Wortklang etwa 15 Minuten innerlich lautlos auf sanfte, leichte Weise denken, ohne Konzentration. Den subtilen Erscheinungsweisen des Klanges folgen, falls das ohne Anstrengung möglich ist. Alle Erfahrungen, die sich ergeben zulassen.

3.       Beim Abschweifen ohne Kritik zum Wortklang zurückkehren

4.       Ausklangphase i: etwa 2 Minuten ruhiges Dasitzen mit geschlossenen Augen ohne Wortklang.

5.       Ausklangphase II: ruhiges Dasitzen mit geöffneten Augen.

Progressive Muskelentspannung

Diese Entspannungstechnik soll die Muskelverspannungen lösen helfen.

Vor Beginn des Programms ist es zweckmäßig, den Körper zu dehnen und den Kopf sanft im Nacken kreisen zu lassen, um die Kopfdurchblutung zu fördern. Senken Sie das Kinn auf die Brust, und beschreiben Sie mit dem Kopf einen vollen Kreis von links nach rechts.

Suchen Sie einen Platz, wo Sie ungestört sind. Setzen Die sich bequem in einen Sessel, oder, wenn Ihnen das lieber ist, legen Sie sich auf eine Couch, auf das Bett oder auf den Fußboden. Lockern Sie zu enge Kleidungsstücke. Machen Sie sich sehr, sehr bequem.

Konzentrieren Sie sich auf Ihren Körper, die Knochen und Muskeln, und spüren sein Gewicht. Atmen Sie bei geschlossenen Augen langsam und tief ein. Atmen Sie aus. Spüren Sie, wie sich beim Ausatmen die Spannung verflüchtigt, und sagen Sie zu sich selbst: "Entspannen!" Atmen Sie ein zweites Mal langsam und tief ein, und spüren Sie beim Ausatmen, wie die Spannung mir dem ausgestoßenen Atem fortgeschwemmt wird. Entspannen Sie sich. Atmen Sie zum dritten Mal langsam und tief ein. Atmen Sie aus. Stellen Sie sich vor, wie die Spannung aus Ihren Muskeln entweicht. Sagen Sie zu sich selbst: "Entspannen!"

Spannen Sie jetzt Ihre Zehen so heftig wie möglich an, dann drehen Sie Ihre Zehen ganz einwärts. Lassen Sie die Zehen gespannt, während Sie langsam bis fünf zählen, dann entspannen Sie Ihre Zehen wieder. Lassen Sie ganz locker, und spüren Sie den Unterschied.

Spannen Sie nun Ihre Zehen, die Füße und die Wadenmuskeln. Machen Sie diese Muskeln ganz, ganz hart, aber halten Sie den übrigen Körper entspannt. Verharren Sie in dieser Spannung, und zählen Sie langsam bis fünf. Dann entspannen Sie sich wieder. Genießen Sie dieses Gefühl der Entspannung.

Spannen Die jetzt auch Ihre Schenkelmuskeln zugleich mit Zehen, Füßen und Waden an, und zwar so fest wie möglich. Fühlen Sie diese Spannung im Körper  während Sie langsam bis fünf zählen. Entspannen Sie sich. Spüren Sie, wie Ihre Muskeln nachgeben und locker lassen. Sagen Sie Ihren Muskeln, dass sie sich noch mehr entspannen sollen.

Spannen Sie jetzt die Gesäßmuskulatur. Halten Sie diese Spannung, während sie langsam bis fünf zählen. Dann entspannen Sie sich.

Spannen Sie Ihre Kreuz- und Bauchmuskeln, und machen Sie sich das verkrampfte Körpergefühl bewusst. Spannen Sie diese Muskeln noch mehr an, während Sie langsam bis fünf zählen. Dann lassen Sie locker, immer lockerer, und entspannen sich. Lassen Sie die Spannung aus jedem Muskel entweichen. Lassen Sie sich ganz "fallen". Geben Sie Ihrem Körper den Befehl, die Muskeln noch etwas mehr zu entspannen, und machen Sie sich dieses Gefühl der Entspannung bewusst.

Machen Sie jetzt die Muskeln in Ihrem Oberkörper hart. Ziehen Sie beide Schultern nach oben. Spannen Sie die Brust- und Rückenmuskeln. Spannen Sie sie noch mehr. Spüren Sie diese Spannung, während Sie langsam bis fünf zählen ... und entspannen Sie sich.

Atmen Sie aus, und fühlen Sie, wie alle Muskeln in der Brust und im Rücken sich entspannen. Spüren Sie, wie diese Muskeln nachgeben, sich lockern und entspannen. Fühlen Sie, wie die ganze Spannung und Verkrampfung entweicht. Lassen Sie Ihre Muskeln noch etwas lockerer.

Spannen Sie jetzt Ihre Arme an, und ballen Sie die Fäuste. Machen Sie sich das Gefühl der Spannung bewusst, während Sie langsam bis fünf zählen. Dann entspannen Sie sich wieder. Lassen Sie Ihre Arme zu beiden Seiten des Körpers herunterfallen. Genießen Sie die Lösung der Spannung.

Spannen Sie als nächstes jeden Gesichtsmuskel an, so gut Sie können. Verkrampfen Sie Ihre Kiefer, fletschen Sie die Zähne, spannen Sie die Kopfhaut, kneifen Sie die Augen zusammen. Halten Sie die ganze Spannung an, während Sie langsam bis fünf zählen. Lassen Sie Ihre Stirnmuskeln locker, entspannen Sie Kopfhaut, Augen, Mund, Zunge und Kehle. Lassen Sie den ganzen Druck und die Spannung abklingen. Entspannen Sie alle Gesichtsmuskeln. Machen Sie sich den Unterschied ganz bewusst.

Ziehen Sie jetzt jeden Muskel in Ihrem Körper an. Beginnen Sie bei den Zehen, und arbeiten Sie sich über Beine, Bauch und Rücken, Brust und Schultern, Arme und Fäuste bis zum Hals und zum Gesicht hinauf. Seien Sie so angespannt, wie Sie nur können. Halten Sie jeden einzelnen Muskel in dieser Spannung, während sie langsam bis fünf zählen. Entspannen Sie sich jetzt. Lassen Sie locker. Fühlen Sie das angenehme Gefühl der Entspannung, das Ihren ganzen Körper durchströmt, ein angenehmes, wohltuendes Gefühl der Entspannung. Machen Sie sich das Gefühl der vollkommenen Entspannung bewusst.

Prüfen Sie mit Ihrem geistigen Auge Ihren Körper von Kopf bis zu den Zehen. Wenn Sie einen Muskel finden, der nicht entspannt ist, ziehen Sie ihn noch fester an, halten Sie ihn, und dann entspannen Sie sich.

Ihr Körper ist jetzt vollkommen entspannt. Lassen Sie sich vom Kopf bis zu den Zehen und wieder zurück von diesem angenehmen Gefühl der Entspannung durchfluten. Genießen Sie es. Machen Sie sich das Gefühl der vollkommenen Entspannung bewusst. Wellen der Entspannung strömen frei vom Kopf bis zu den Zehen und zurück. Genießen Sie dieses Gefühl.

Während Sie sich jetzt entspannen, können Sie sich einige Lern- und Gedächtnisaffirmationen vorsagen (siehe hinten).

Sagen Sie sich jetzt, daß Sie nach dem Zählen von 1 bis 5 Ihre Augen öffnen und sich wach, erfrischt, voll von Energie und spannungsfrei fühlen werden ... 1,2,3,4,5 - öffnen Sie die Augen.

Jedes Mal, wenn Sie die Entspannungsübung machen, wird sie leichter und schneller gehen. Sie werden merken, dass Sie sehr rasch auf einen entspannten Zustand umschalten können, in dem die Muskelspannung sich auflöst. Je mehr Sie üben, desto leichter werden Sie sich entspannen. Bereits einige Minuten der Entspannung bewirken, dass Sie sich weniger verkrampft und müde fühlen, Ihr Geist wach und aktiv bleibt und Sie sich besser konzentrieren können.

Eine Kurzfassung der vorhergehenden Übung kann so ausgeführt werden, dass man jede der erwähnten Muskelgruppen von den Zehen bis zum Kopf eine nach der anderen spannt. Halten Sie die Spannung zwei Sekunden, und lassen Sie dann eine Welle der Entspannung in umgekehrter Richtung, vom Kopf zu den Zehen, durch Ihren Körper rieseln. Zwei bis drei Folgen dieser Welle von Spannung und Entspannung können ausgeführt werden, während man dabei langsam bis fünfzehn zählt.

Innere Beruhigung

Das Ziel dieser Übung ist es, die visuelle Vorstellungskraft zu trainieren und gleichzeitig das Gemüt zu beruhigen. Friedliche, idyllische Naturszenen sind besonders geeignet, Angst und Ablenkungen zu beseitigen.

Stellen Sie sich vor, dass Sie in einem Park oder einem Wald spazieren gehen, an einem See sitzen, einen Hügel oder einen Berg erklimmen, durch eine Winterlandschaft gehen, im Sommer am Strand entlang schlendern oder sich an irgendeinem Ort bewegen, der auf Sie besonders beruhigend wirkt. Manche Leute stellen sich auch Kunstwerke oder einen Museumsbesuch bei dieser Übung vor. Wir geben hier ein Beispiel; Entspannen Sie sich nach der Methode, die Ihnen am meisten zusagt, und dann:

*       Stellen Sie sich vor, dass Sie an einem schönen Strand sind.

*       Fühlen Sie die Wärme der Sonne.

*       Gehen Sie am Strand entlang, treten Sie ans Ufer.

*       Spüren Sie den warmen Sand unter Ihren Füßen, fühlen Sie, wie der weiche Sand beim Gehen durch die Zehen quillt.

*       Geben Sie sich der Bläue des Himmels und des Wassers hin.

*       Während Sie am Rande des Wassers entlanggehen, spüren Sie, wie die Wellen sanft Ihre Knöchel umspielen.

*       Spüren Sie eine sanfte Brise, fühlen Sie, wie Sorgen und Ängste sachte fortgeweht werden.

*       In der Ferne hören Sie den Lockruf der Möwen.

*       Sehen Sie das Glitzern der Sonne im Wasser.

Genießen Sie die Sonne so intensiv wie möglich. Um Monotonie zu vermeiden, können die Übungen zur inneren Beruhigung täglich abgewandelt werden.

Autogenes Training

Autogenes Training verlangt eine wochenlange Einarbeitungszeit und im Folgenden regelmäßiges Üben. Im beruflichen Alltag hat sich gezeigt, dass diese Zeiten meist nicht regelmäßig zur Verfügung stehen oder man während der Arbeit keinen geeigneten Ort für die Übungen findet.

Autogenes Training kann man als eine Methode der Psychotherapie ansehen, die aus der Hypnose (Heilschlaf) entwickelt wurde. In der Hypnose fühlt der Mensch ein kennzeichnendes und eigenartiges Gefühl von Schwere und Wärme. Schweregefühl entsteht, wenn die Muskeln, die sonst den Körper durch ihre Spannung halten, loslassen; Wärmegefühl, wenn die Blutgefäße sich öffnen und mehr Blut durchlassen. Das Wesentliche an der Umschaltung in die Hypnose ist also wie beim Nachtschlaf eine Entspannung des Organismus, besonders der Muskeln und Blutgefäße, durch entsprechende Schulung der Konzentration. Das autogene Training gibt als konzentrative Selbstentspannung die Möglichkeit, ohne Beeinflussung durch einen anderen den wohltätigen schlafähnlichen Ruhezustand zu erreichen.

Die einzelnen Übungen sind so aneinandergereiht, dass mit dem Einfachsten und Unscheinbarsten begonnen wird; mit zunehmender Übung in dem Zusammenbau verschiedener Übungsteile wird ein Zustand erreicht, als läge man in einem behaglich warmen Bade mit angenehmer Kopfkühlung.

Die konzentrative Selbstentspannung des autogenen Trainings hat also den Sinn, mit genau vorgeschriebenen Übungen sich immer mehr innerlich zu lösen und zu versenken und so eine von innen kommende Umschaltung des gesamten Organismus zu erreichen, die es erlaubt, Gesundes zu stärken, Ungesundes zu mindern oder abzustellen. Wie der Mensch, der Lesen gelernt hat, nun lebenslänglich lesen "muss", wenn er Schriftzeichen sieht, "muss" dem autogen Trainierten eine entspannt gelassene Haltung zur zweiten Natur werden. Wir sprechen von einem "erworbenen Vollzugszwang im normalen Seelenleben". Wer es gelernt hat, im autogenen Training "Sich-zu-lassen", wird durch regelmäßiges Trainieren "ge-lassen". Dabei kann grundsätzlich alles erreicht werden, was auch durch ärztliche Hypnose erreicht werden kann:

  1. Erholung
  2. Selbstruhigstellung durch innere Lösung. So kann man große Angstgefühle auf blasse Angstgedanken reduzieren. Auch ist es der natürliche Weg zum Schlaf.
  3. Selbstregulierung sonst "unwillkürlicher" Körperfunktionen wie zum Beispiel des Blutkreislaufes.
  4. Leistungssteigerung z.B. des Gedächtnisses
  5. Schmerzabstellung, nicht Unterdrücken von Schmerzäußerung, sondern ein völliges Verschwinden oder Gar-nicht-Erscheinen des Schmerzes.
  6. Selbstbestimmung durch in der Versenkung eingebaute formelhafte Vorsätze, die wie posthypnotische Suggestionen automatisch wirken.
  7. Selbstkritik und Selbstkontrolle durch Innenschau in der Versenkung.

Im autogenen Training wird konzentrative Entspannung in sechs "Gebieten" übend erarbeitet:
1. Muskeln, 2. Blutgefäße, 3. Herz, 4. Atmung, 5. Leiborgane, 6. Kopf.

Die Übungen

Die Übungsarbeit beginnt mit einem Arm, beim Rechtshändigen rechts, beim Linkshändigen links. Zur Übung ist eine bequeme Sitz- oder Liegehaltung erforderlich, ein ruhiges, kühles, leicht abgedunkeltes Zimmer erwünscht. Die gesamte Haltung muss durchaus bequem sein, da sonst aus mechanischen Gründen Spannungen einsetzen, die das Üben unmöglich machen können. Wird ein Arm regelmäßig geübt, so geht die Wirkung, zum Beispiel das Schweregefühl bei der Muskelentspannung, von selbst auf andere Gebiete über, da das Nervensystem die Glieder verbindet. Jede Übung wird so lange an einem Arm durchgeführt, bis sie sich von selbst auf die übrigen Gliedmaßen verallgemeinert ("generalisiert") hat. Es muss erst in einem Arm konzentrative Höchstsammlung entstehen und nun entspannend auf die anderen Gliedmaßen überfließen, dann gibt es gute Resultate. Deshalb darf man nicht abwechselnd mit verschiedenen Armen üben. Nur wer peinlich genau übt, bekommt wirkliche Sicherheit und Geläufigkeit und damit Erfolge.

1. Übung: Die Schwereübung (Muskelentspannung)

1. Haltung
Für die erste Übung kann eine bequeme Sitzhaltung eingenommen werden; sehr geeignet ein Lehnstuhl mit hoher Lehne, an der sich der Kopf stützen kann, und weichen Seitenlehnen, auf denen die Unterarme zwanglos und sicher ruhen. Der Ellbogen wird etwa halb bis zum rechten Winkel abgebeugt, weil so die Armstreck- und Armbeugemuskeln im Gleichgewicht sind. Der ganze Rücken soll bequem angelehnt sein, ebenso das Hinterhaupt. Durch kleine Kissen muss hier möglichst Zwanglosigkeit angestrebt werden. Die Füße ruhen mit den Sohlen auf dem Boden, sie stehen einander nahe, die Knie sollen nach außen fallen, wodurch mechanische Spannungen im Oberschenkel vermieden werden.
2. Haltung)
Noch besser kann zunächst im Liegen, in bequemer Rückenlage, mit sorgfältig unterstütztem Nacken geübt werden. Die Arme liegen mit leicht gebeugtem Ellbogen neben dem Leib, die Handflächen nach unten. Die Fußspitzen sollen locker nach außen fallen.
3. Haltung)
Ist weder Gelegenheit zu bequemem Sitzen noch zum Liegen, so kann endlich zu den Übungen eine dritte Haltung benutzt werden. Man setzt sich gerade auf eine Bank oder einen Hocker ohne Lehne oder vorn auf einen Stuhl, so dass die Lehne vom Rücken gut entfernt ist. Nun lässt man sich im Sitzen senkrecht in sich selbst zusammensacken, wobei die Arme seitlich herunterhängen und der Kopf hängt vorn herunter. Dabei darf aber keine Neigung nach vorn eintreten, sondern der Rumpf muss ganz senkrecht in sich zusammensinken. Lässt man so jede Muskelhaltung fort, so wird man vom Skelett (Knochengerüst), besonders von der Wirbelsäule, ihren Gelenken und Bändern, aufgefangen, man hängt in seinen Knochen-Gelenk-Apparaten ohne jede Muskelleistung. Nun werden die Arme lose schwingend bewegt und auf die weit gespreizten Oberschenkel so aufgelegt, dass der Unterarm nahe dem Ellbogen vom Oberschenkel unterstützt wird. Die Arme sind dann wieder in der beschriebenen Weise gebeugt; der Körper hängt ohne jede Muskelarbeit in seinen Knochen ("Droschkenkutscherhaltung").

In einer dieser drei Haltungen beginnt nun die erste Übung. Die Augen werden zur Erleichterung der inneren Sammlung geschlossen. Die dem Übenden einfallenden Gedanken sollen nicht abgewehrt werden, würde dies doch gerade eine Verkrampfung bedeuten; die Übungsformeln sollen vielmehr wie ein monotones Band abrollen und anderer Einfälle, Vorstellungen usw. ignoriert werden.

1. "Der rechte (linke) Arm ist ganz schwer" (erste Übungsformel), etwa sechsmal.
2. "Ich bin ganz ruhig" (Zielrichtung der ganzen Arbeit), nur einmal und - immer abwechselnd - 1 und 2 weiter. Meist zeigt sich bald eine deutliche Schwereempfindung, am häufigsten in Ellbogen- und Unterarmgegend.

Nach ca. einer Minute erfolgt das "Zurücknehmen", das nun in peinlich gleicher Weise geübt werden muss, damit der ganze Vorgang mehr und mehr völlig automatisch läuft, steht doch die Erlernung der Umschaltung des Organismus im Mittelpunkt der ganzen autogenen Arbeit.

Das Zurücknehmen soll in folgender Weise geschehen:
1. Der wird ein paar Mal mit energischem, "militärischem" Ruck gebeugt und gestreckt.
2. Es wird tief ein- und ausgeatmet.
3. Die Augen werden geöffnet.

Als kurzes Formelkommando:
1. "Arm fest!"
2. "Tief atmen!"
3. "Augen auf!"

In den ersten 8 bis 14 Tagen soll nur zwei- bis dreimal am Tage eine Übungssitzung gemacht werden. In jeder Sitzung kann zweimal zuerst je «-1 Minute, dann solange der Zustand angenehm ist, geübt werden. Wird im Anfang die einzelne Übung verlängert, so treten bei den meisten Versuchspersonen, weil sie es "zu gut" machen wollen, unterbewusste Spannungen auf. So kann z.B. die Armschwere mit fortschreitendem Üben anstatt intensiver zu werden mehr und mehr verschwinden. Nach 4 bis 6 Übungstagen wird das Schweregefühl im Übungsarm immer deutlicher und tritt immer schneller ein; zugleich wird es auch in anderen Gliedmaßen, am häufigsten zuerst im anderen Arme fühlbar. Sind die Schweregefühle in beiden Armen deutlich, so kann die Formel in "Arme schwer" geändert werden; entsprechend beim Zurücknehmen "Arme fest" und "Beugung beider Arme":

1. "Arme fest!"
2. "Tief atmen!"
3. "Augen auf!"

Die Beinschwere bedarf keiner besonderen Zurücknehmung, da die Beine mehr automatisch arbeiten. Normalerweise ist in 10-14 Tagen die Übung so weit vorgeschritten, dass durch einen Augenblick innerer Konzentration Arme und Beine "bleischwer" entspannen. Jetzt kann bei Normalen die Übungszeit beliebig verändert werden.

2. Übung: Wärmeerlebnis (Gefäßentspannung)

Die vom Herzen in den Körper leitenden Schlagadern (Arterien), die Haargefäße (Kapillaren) in den Organen und die das Blut zurückführenden Blutadern (Venen) bilden einschließlich des Lungen- und Leberkreislaufes das periphere (äußere) Herz. Die Haut kann ein Drittel des Blutes aufnehmen. Die Verteilung des Blutes in den Gefäßen durch Erweiterung und Verengung der Gefäße wird durch das Nervensystem reguliert und richtet sich nach Leistung, Erregung (Gemütsbewegung!) und Hemmung. Das "periphere Herz", das Gefäßsystem, ist also ein lebendiger Apparat mit wechselndem Druck und wechselnder Strömungsgeschwindigkeit. Jede Einzelreaktion ist mit dem Ganzen zusammengeschaltet. Ist das Schwereerlebnis gut erarbeitet, so wird die Übung erweitert:

1. Arme (Beine) sind ganz schwer, später "Schwere", sechsmal.
2. Ich bin ganz ruhig, später "Ruhe", einmal.
3. Der rechte (linke) Arm ist ganz warm, sechsmal, einmal Ruhe und immer so weiter.

Beim Normalen zeigt sich bald, meist in Ellbogen-Unterarmgegend eine innerliche, strömende Wärme. Ebenso wie die als Schwere fühlbare Muskelentspannung mit elektrischen Messinstrumenten und anderen Methoden verfolgt und ausgewertet werden konnte, ist die Wärmeempfindung als eine Umstellung des lebenden Organismus nachgewiesen. Seine Wärmeausstrahlung wurde gemessen, und man stellte fest, dass mehr als 1 Grad Celsius stärkere Körperwärmeausstrahlung und 6-8 Grad Celsius Gewebeerwärmung eintreten, wenn "Der Arm ist warm" richtig geübt worden ist. Ein Zurücknehmen des Wärmeerlebnisses ist nicht nötig, da die Blutgefäße elastische, vom Organismus regulierte Gebilde sind, sie von selbst zur gewohnten Haltung zurückkehren.

Die Übung wird peinlich genau und vollständig durchgeführt bis das Wärmegefühl zuerst im Übungsarm immer deutlicher und dann in allen vier Gliedmaßen fühlbar wird.

3. Übung: Die Herzregulierung

Manche Menschen kennen die körperliche Empfindung ihres Herzens von Anstrengungen, Erregungen, Fieber, usw., aber jedem zweiten sind diese Empfindungen nicht geläufig, er muss sie erst entdecken. Übende, die keine örtliche Empfindung ihres Herzens wahrnehmen, können oft den Pulsschlag an einer beliebigen anderen Körperstelle spüren und sich hieran orientieren; mit weiterem Üben stellt sich dann auch das Herzerlebnis ein. Versagt auch diese Hilfe, so wird versucht, das Herzerlebnis selbst zu entdecken. Das geschieht so, dass in Rückenlage der rechte Ellbogen unterstützt wird. Der linke Arm liegt wie üblich. Nun werden Schwere, Wärme, Ruhe eingestellt und in Gedanken dorthin konzentriert, wo die Hand außen aufliegt. Der Druck der Hand ist eine Art Wegweiser. Nach einigen Übungen werden nun Herzempfindungen bemerkt und unter steter Wiederholung des ganzen Übungsganges ("Schwere-Wärme-Ruhe") in diese Gegend des Körperinnern konzentriert: "Herz schlägt ganz ruhig und kräftig", bei leicht Erregbaren "ruhig und regelmäßig", sechsmal, einmal Ruhe. Ist die Herzempfindung erst gelernt, das "Herzerlebnis entdeckt", so wird die Hand nicht mehr auf die Herzgegend gelegt, sondern in üblicher Haltung weitergeübt und das Herz "direkt" ohne äußere Hilfe reguliert. Nie soll in der Übung der Herzschlag verlangsamt werden, da dies schaden kann.

4. Übung: Die Atemeinstellung

Im autogenen Training ist jede absichtliche Selbstbeeinflussung der Atmung eine Störung, denn sie würde ja Spannung und Willkür bedeuten. Stattdessen soll sich die Atmung von innen heraus praktisch von selbst richtig einstellen. An die bisherigen Übungen schließt sich an: "Atmung ganz ruhig", sechsmal, einmal in Ruhe. Für viele Versuchspersonen ist die Verführung groß, mit der Atmung etwas absichtlich zu machen, etwa im Sinne einer irgendwo gelernten Atemübung. Das muss unbedingt für das autogene Training vermieden werden; die Atmung soll aus dem gesamten Ruhetönungserlebnis heraus in ganz ruhige Einstellung kommen. Um jedes fälschliche Atmen auszuschalten, ist die ergänzende Konzentration zu empfehlen:
"Es atmet mich", d.h., die Atmung soll sich aus der Ruheentspannung heraus selbst gestalten, den Übenden vollkommen "tragen" und "nehmen", er soll sich der Atmung hingeben, wie beim Schwimmen auf leicht bewegtem Wasser in passiver Rückenlage. Hat die Versuchsperson in je 10-14 Tagen, also im ganzen in etwa 6 bis 10 Wochen die Übungen I-IV fest erworben, so folgt die 5. Übung.

5. Übung: Regulierung der Bauchorgane ("Sonnengeflecht")

Ebenso wie Gliedmaßen und Brust (Herz, Atmung) sollen die Leiborgane entspannt werden. Dazu stellt sich die Versuchsperson auf den größten Lebens-Nerven-Knoten des Leibes, auf das "Sonnengeflecht" ein. Es liegt etwa auf halber Strecke zwischen Bauchnabel und dem Beginn des Brustkorbs. Hierhin konzentriert man sich nach Durchführung der Übungen I bis IV mit dem Satz: "Sonnengeflecht strömend warm", sechsmal, einmal Ruhe. Auch diese Übung verlangt beim Normalen 10-14 Tage; sie wird, wie oben bei Übung II ausgeführt, in die Gesamtübung eingeschaltet. Die Phantasie, als ströme der Atem beim Ausatmen in den Leib, kann oft helfen. Nun liegt bei normalem Übungsgang die Versuchsperson mit schwerströmend-warmem, ruhig durchatmendem und durchpulstem Körper da.

6. Übung: Einstellung des Kopfgebietes

Im Beruhigungsbad, das der Einstellung im Autogenen Training als Modell dient, wird die Wirkung verstärkt, wenn eine kühle (nicht kalte) Kompresse auf der Stirn liegt.

Im autogenen Training wird daher die Kopfgegend, die "Kopfsphäre", unter eine besondere Einstellung gesetzt. Dazu stellt die Versuchsperson die Haltungen I-V sorgfältig her und konzentriert vorsichtig und zunächst nur für wenige Sekunden, etwa 2 mal, dann vorsichtig bis zur ersten örtlichen Empfindung 3-6 mal: "Die Stirn ist angenehm kühl." Vorsicht, ebenso wie das Wärmeerlebnis zur Gefäßerweiterung, so führt das Kühleerlebnis zu einer Gefäßverengung und dadurch zu einer abkühlenden Blutleere. Da die Blutgefäße des gesamten Organismus miteinander in Verbindung stehen, wirkt eine örtliche Gefäßzusammenziehung bei vielen Menschen auf weitere Gefäßgebiete ein. Man kann sich hiervon leicht dadurch überzeugen, dass man einen Finger einer Hand in kaltes Wasser taucht; es wird dann die ganze Hand, ja oft auch die andere kühl und blass. Beim autogenen Training stellen wir die konzentrative Entspannung vom Gehirn, von der Zentrale aus dar und bekommen dadurch sehr erhebliche Schwankungen der Blutverteilung. Das äußert sich beim Stirnkühle-Versuch nicht selten in Ohnmachten, Migräneanfällen und dergleichen, beim Wärmeversuch in Herz- und Gefäßstörungen. Man könnte deshalb eine ärztliche Überwachung in Betracht ziehen. Auch die "Stirnkühle" ist bei Normalen in 10-14 Tagen ansatzweise erarbeitet. Da die Hauswände nicht luftdicht sind, bewegt sich die Luft überall. Deshalb wird die "Stirnkühle" meist als "kühler Hauch" erlebt.

Mit den sechs beschriebenen, generalisierten Übungen ist das autogene Training in seiner Unterstufe gegeben. Die Gesamtübung würde nun alle in sich umfassen und im ganzen enthalten:

*       Arme und Beine sind ganz schwer ... "Schwere" sechsmal - "Ruhe" einmal.

*       Arme und Beine sind ganz warm! ... "Wärme" sechsmal - "Ruhe" einmal.

*       Herz schlägt ganz ruhig und kräftig! (regelmäßig!) sechsmal - "Ruhe" einmal.

*       Atmung ganz ruhig, es atmet mich! sechsmal - "Ruhe" einmal.
Sonnengeflecht ruhig strömend warm! sechsmal - "Ruhe" einmal.

*       Stirn angenehm kühl! sechsmal - "Ruhe" einmal.

*       Dann "Zurücknehmen". ("Arme fest! Tief atmen! Augen auf!")

Nach etwa 2«-3 Monaten sind diese sechs Übungen normalerweise erworben, sie müssen nun durch täglich mindestens einmaliges, womöglich zweimaliges Üben in den folgenden 4 bis 6 Monaten so angeeignet werden, dass die Intensität der Erscheinungen immer größer, der Eintritt immer schneller wird. Jede Gesamtübung wird durch sorgfältiges Zurücknehmen ("Armen fest! Tief atmen! Augen auf!") abgeschlossen. So lernt der Organismus, auf innere Konzentration in allen Systemen tief zu entspannen und beim Zurückkehren wieder aktiv zu spannen. Die Versuchsperson erwirbt sich also eine selbst gesetzte Entspannungs- Spannungsumschaltung. Ist diese Vereinheitlichung erreicht, so genügt für die praktische Verwendung oft nur eine Teilentspannung, zu der sich besonders das Schulternackenfeld eignet. Lässt die Versuchsperson hier intensive "Schwere" erscheinen, so führt dieses Teilerlebnis die Gesamtentspannung mit allen ihren Vorteilen herauf, ohne dass eine besondere Körperhaltung nötig wäre.

Verlauf und Anwendungen

In der Übung soll nie krampfhaft eine Einzeleinstellung erzwungen oder gewaltsam festgehalten werden. Der Übende soll sich innerlich von einer zur anderen Einzeleinstellung zur anderen wenden, gewissermaßen lässig in den Innenerlebnissen spazieren gehen und sie auf sich zukommen lassen. Der Übende sollte versuchen, die Übungsformeln ("Arm ist schwer" usw.) bildhaft in seinem Innern, in seiner Phantasie erscheinen zu lassen; etwa als Leuchtbuchstabenschrift im Dunkel der geschlossenen Augen, als Melodie, als Klangspruch, als Bild usw. Man soll nicht in Begriffen "denken", sondern nach innen "schauen", sich den Bildern des Innenlebens zuwenden, die den Formeln entsprechen. Man soll sich nicht krampfhaft eine Formel innerlich vorsagen und sich ängstlich bemühen, nur an diese Formel zu denken; das wäre eine aktiv spannende, verkrampfte Haltung, die leicht zu Kopfschmerzen usw. führt und das autogene Training stört. Eigene, den Übungen nicht zugehörige Gedanken soll man ruhig erscheinen und vorüberziehen lassen; das gelingt um so leichter, je mehr die Übungsformeln Bilder sind, die der Übende anschauen und behaglich ohne jede Anstrengung längere Zeit "im inneren Auge" behalten kann. So vollzieht sich das "Einwachsen" der Entspannung in den Organismus und die Generalisierung ganz naturhaft und sehr nachhaltig. Mit zunehmender Übung schließen sich die sechs Einzelübungen mehr und mehr zu einem unauflöslichen Ganzen. Wenn der Übende sich nur anschickt, in die Übung einzutreten, stellt sich die Gesamtumschaltung sogleich ein und vertieft sich; nach 5-6 Monaten verkürzt sich dann die Formel, und ein allgemeines "Fühlen": "Schwere - Wärme - Atmung - Herz ruhig - Sonnengeflecht warm - Stirn kühl - Ruhe" zeigt den Eintritt der Umschaltung. Wie bei allem Üben kommen auch beim autogenen Training Zeiten des Nachlassens vor; macht sich dies stärker geltend, so baut der Übende am besten in ein paar Tagen nochmals von der I. Übung auf, die dann in Tagen zur Gesamtübung führt. Bei irgendwelchen Störungen oder Auffälligkeiten wende sich der Übende stets an einen Arzt, insbesondere wenn Unruhe oder Organfunktionsschwankungen auftreten.

Schläft der Übende beim abendlichen Üben oder beim Üben nach Tisch und dergleichen in der Übung ein, so ist, wie bei der Hypnose, mit dem normalen Schlaferwachen die Umschaltung erledigt und kein Zurücknehmen erforderlich. Der Übende braucht sich also abends in der Übung nicht darum zu kümmern, zurücknehmen zu müssen, sondern kann ruhig einschlafen. Wird die Technik in ihren Grundlagen beherrscht, so kann der Übende auch in entspannt-konzentriertem Versenkungszustand Muskelspannungen von oft ganz außerordentlicher Stärke entwickeln, die völlig unbewusst verlaufen; diese Erscheinung ist als hypnotische Muskelstarre bekannt.

Leicht erreichbar ist die Abstellung eines Schmerzerlebnisses. Konzentriert sich der Übende in guter Versenkung auf eine Hautstelle, z.B. den Handrücken, und auf eine leichte Kühle entsprechend dem Stirnversuch und knüpft daran die Konzentration: "Haut schmerzt nicht", so kann beim Übenden zu 50% eine herabgesetzte oder fehlende Schmerzempfindung per Nadelstich nachgewiesen werden; manchmal kommt der Schmerz beim "Zurücknehmen" nach; auch die Rötung der Haut am Einstich ist oft an der "abgestellten" Hand geringer. Beim "Zurücknehmen" muss der Übende erst wieder volles Gefühl in den Handrücken senden und die Kühle durch Wärme ersetzen, ehe das eigentliche "Zurücknehmen" erfolgt. Die konzentrative Schmerzbeseitigung lässt den Schmerz überhaupt nicht erscheinen, sie besteht nicht in einer Unterdrückung der Schmerzäußerung wie etwa beim "Zusammennehmen" des Alltags. Beim Zahnarzt und in anderen Alltagssituationen kann die konzentrative Schmerzaufhebung sehr angenehme Dienste leisten. Aber auch für den Alltag ist das autogene Training wertvoll. Seine Verwendung ist nach verschiedener Richtung möglich:

1. Entspannung als Erholung

Spannung ist Kräfteverbrauch, Entspannung Kräfteersparnis; die ersparten Kräfte werden von der Natur der Erholung, dem Wiederaufbau zugeführt. Daher ist eine wesentliche Bedeutung des autogenen Trainings darin gegeben, dass eine autogene Versenkung von 5-20 Minuten eine außerordentlich erfrischende und leistungssteigernde Wirkung hat. Autogenes Training und Einschlafen geht parallel; die autogen trainierte normale Versuchsperson kann sofort in ihren Schlaf eintreten und mit genauem Termin aufhören lassen.

2. Entspannung als Ruhigstellung

Entspanntes Tun und Leben spart Kräfte für Wesentliches. Wer mit genügender Ausdauer trainiert, wird unvermeidlich einer ruhigeren, einer "gelassenen" Haltung zugeführt. "Ich kann mich nicht mehr ärgern", schreiben viele Übende nach Jahren. Die naturhafte Entspannungsruhe des autogenen Trainings darf nicht mit Gefühlsabtötung verwechselt werden; nur die falschen, "verkrampften" Gefühlsstörungen lösen sich auf. Echte Gefühle bleiben nicht nur lebendig, sondern vertiefen sich, denn das autogene Training bedingt stets eine dem inneren Wesen entsprechende Entwicklung.

3. Intensitäts- und Leistungssteigerung

Gesammelt, "konzentriert" ihrem Inneren zugewandt, kann man als Übender viele Leistungen steigern. Empfindungen, Gefühle, innere Einsichten, Erinnerungen stehen klarer und stärker zur Verfügung. Man nehme sich z.B. ein zum großen Teil vergessenes Gedicht aus der Schulzeit und kontrolliere, was man davon noch bei genauem Besinnen weiß; geht man nun in die autogene Versenkung, so erscheint oft schlagartig das ganze Erinnerungsbild vor dem geistigen Auge.

4. Selbstbeherrschung und Selbstbestimmung

Die Selbstbeherrschung, die der Alltag fordert, wird durch die Aneignung des autogenen Trainings schon sehr erleichtert, weil der Mensch "von innen", "naturhaft" ruhig wird ("Gelassenheit"); er ist ferner in der Lage, Blutverteilung, Herzschlag u. a. Körperfunktionen, die sonst als "unwillkürlich" gelten, selbst zu regulieren; dazu muss man jedoch - wie bei der Erlernung anderer Fingerfertigkeiten auch - entsprechend viel üben.

Für den Normalgang des autogenen Trainings ist die Beherrschung der "unwillkürlichen" Körperfunktionen nur Mittel zum Zweck; bei der Behandlung von Krankheiten kann es in ärztlicher Aufsicht und Leitung hier wesentliche Aufgaben finden. Kleine Alltagsbeschwerden, wie z.B. Neigung zu kalten Füßen, sind dem autogenen Training sehr gut und mit Dauererfolg zugänglich. Die eigentliche Einstellung zum Leben und zu sich selbst kann die autogen trainierte Person dadurch wirksam beeinflussen, dass sie im autogenen Training bestimmte erwünschte Einstellungen als Tatsachen setzt; sie werden dann wirksam. Wie man sich auch konzentriert: "Arm ist warm", so konzentriert man z.B. "Sparsamkeit ist Freude" oder "Ordnung ist Freiheit" oder "Schreibtisch wird aufgeräumt" oder "Brief wird geschrieben" oder "Meine nächste Prüfung werde ich sehr gut erledigen" usw. Diese "formelhaften Vorsatzbildungen" in der autogenen Versenkung wirken wie die posthypnotischen Suggestionen automatisch, besonders, wenn sie ruhig und unbeirrbar eine Reihe von Tagen abends vor dem Einschlafen errichtet und (am besten ohne "Zurücknehmen"!) in den Nachtschlaf übernommen werden. Hier findet zielbewusste Selbsterziehung schöne und lohnende Aufgaben von der Abstellung kleiner, dummer Angewohnheiten bis herauf zur Arbeit am Charakter ("Mut ist Sieg"). Sehr hilfreich ist hier zur Wegfindung die vertiefte Innenschau der Versenkung, Grenzgebiet zur "Oberstufe des autogenen Trainings".

Eine etwas andere Abfolge:

Im Unterschied zum originalen autogenen Training macht man anfangs eine Ruhe-Übung. Dazu stellt man sich am besten etwas sehr Beruhigendes vor, z.B.: Meeresstrand (evtl. mit regelmäßiger rauschender Brandung), Blumenwiese im Sommer mit Bach in der Nähe, schwarzer Tunnel oder Brunnen oder ein Zusammensacken, das für das In-sich-Hineingehen steht. Normalerweise schließt sich gleich ein Wärme- und Schwereempfinden an.

Ich bin ganz ruhig. (Vorstellung entwickeln)
Meine Arme und Beine sind ganz schwer.
Meine Arme und Beine sind ganz warm.
Meine Atmung ist ruhig und regelmäßig.
Mein Herzschlag ist ruhig und regelmäßig.
Mein Sonnengeflecht ist strömend warm.
Meine Stirn ist angenehm kühl. (besser auszulassen, wenn man einschlafen möchte)

Evtl. anfügen: Mein Schulter-Nacken-Feld ist ruhig, schwer und warm.