Spezial

Gruppenarbeit

               

 

 

 

Quelle

Die folgenden Ausführungen beruhen auf:

Regula D. Schräder-Naef

Vorteile von Lerngruppen

*       Der Kontakt wirkt der Isolierung entgegen; in der Gruppe können nicht nur fachliche Ziele erarbeitet, sondern auch Gedanken und Erfahrungen ausgetauscht und Probleme besprochen werden, die sich beim Studium ergeben.

*       Während in der Schule der Lernfortschritt durch Arbeiten und Prüfungen laufend kontrolliert wird, vergehen an der Hochschule und in der Erwachsenenbildung oft Jahre bis zum nächsten Prüfungster­min. Das für das Lernen so wichtige Wissen über den eigenen Leistungsstand wird in Lerngruppen durch die gegenseitige Kontrolle vermittelt.

*       Die Arbeit in Lerngruppen erfordert das Setzen von Zwischenzielen. Diese erleichtern die Aufrechterhaltung der Motivation, wenn der Abschluss noch in weiter Ferne liegt. Da das Zusammensein mit andern dem Bedürfnis nach Geselligkeit entspricht, fällt das gemein­same Lernen auch leichter. Bei Problemen und Verständnislücken gibt die Gruppe nicht so schnell auf - gemeinsam wird eher eine Lösung gefunden.

*       Lerngruppen ermöglichen mehr eigene Aktivität. Während in Vorle­sungen und auch in vielen Seminaren hauptsächlich der Dozent spricht und die Lernziele setzt, werden in der Lerngruppe Ziele, Fragen und Antworten von den Teilnehmern formuliert. Dieser Vorteil ist vor allem dann von Bedeutung, wenn die Klassen oder Seminare sehr groß sind.

*       Diskussionen können bei der Verarbeitung von neuem Wissensstoff Unklarheiten beseitigen, Lücken stopfen und das Verständnis vertie­fen.

*       Einer Gruppe fällt es leichter, den Überblick über sehr große und komplexe Gebiete zu bewahren. Während ein einzelner eher in Gefahr läuft, sich in Details zu verbeißen oder in Sackgassen zu geraten, sorgt die Diskussion mit ändern für einen Ausgleich.

*       Die Arbeit in einer Lerngruppe kann nicht nur die Prüfungsvorberei­tung erheblich erleichtern. Durch die Möglichkeit, sowohl schriftliche als auch mündliche Prüfungen vorher zu „üben" (gegenseitiges Abfragen, Stellen von Prüfungsfragen), wird auch die Prüfungsangst abgebaut.

Probleme bei Lerngruppen

Wenn trotz dieser offenkundigen Vorteile viele Lerngruppen bald wieder auseinander fallen, liegt dies vor allem an folgenden Schwierig­keiten:

*       Der Arbeitseifer vieler Schüler/Studenten ist mit der Ausführung des Vorsat­zes, sich gemeinsam zum Lernen hinzusetzen, bereits erschöpft. Nicht nur Einzelne haben oft Mühe, dann mit der Arbeit zu beginnen, wenn sie es sich vorgenommen haben; auch in Gruppen besteht die Gefahr, dass man zwar die Sportereignisse des Vortages oder die Pläne fürs Wochenende, nicht aber den Lernstoff intensiv diskutiert.

*       Die (unausgesprochenen) Erwartungen, die die Teilnehmer an die Lerngruppe stellen, klaffen zu weit auseinander. Während es den einen in erster Linie um den Kontakt, um ein gemütliches Zusammen­sein geht, möchten andere vor allem fachlich weiterkommen.

*       Schwie­rigkeiten gibt es natürlich auch, wenn einzelne Teilnehmer die vereinbarten Vorarbeiten durchführen, andere dagegen stets unvor­bereitet erscheinen.

*       Wenn einzelne Teilnehmer dominieren und die anderen nur zu „Ausführenden" ihrer Anweisungen degradieren, kann sich keine ersprießliche Zusammenarbeit entwickeln.

Regeln der Zusammenarbeit

Von einer „erfolgreichen" Zusammenarbeit kann man nur dann spre­chen, wenn nicht nur die erbrachte Leistung den gemeinsamen Zielvor­stellungen entspricht, sondern auch die Teilnehmer eine persönliche Befriedigung erfahren. Die nachfolgenden Regeln sollen dabei helfen, beide Kriterien zu erfüllen.

*       Für die Arbeit in Lerngruppen empfiehlt sich eine Gruppengrößen von 3-5 Mitgliedern. Die Gründe dafür liegen darin, dass bei größeren Gruppen die Organisation sehr erschwert wird - es wird immer schwieriger, Termine zu finden, die allen zusagen. Ist die Gruppe immer unvollständig oder wechselt die Zusammensetzung ständig, wirkt sich dies negativer aus als bei Diskussionsgruppen.

*       Eine Lerngruppe sollte sehr  homogener sein. Bestehen hinsichtlich Wissensstand, Interessen oder Einsatz zu große Unterschiede, kommt es leicht zu Spannungen. Finden Sie nicht durch Bekannte oder direkte Ansprache in Kursen genügend Interessenten, versuchen Sie es mit einem Anschlag am „schwarzen Brett" Ihrer Ausbildungsstätte.

*       Vor Beginn der gemeinsamen Arbeit einigen sich die Teilnehmer über ihre Zielsetzungen und ihr Vorgehen, Manche Lerngruppen werden nur für eine begrenzte Zeit - z. B. für die Vorbereitung einer größeren Prüfung - gebildet; andere bestehen über Jahre hinweg oder begleiten einen ganzen Ausbildungsgang. Es wird dann beispielsweise laufend die Fachliteratur durchgearbeitet und diskutiert, oder es werden immer wieder andere Probleme und Bereiche aufgegriffen und syste­matisch bearbeitet.

*       Auch für jedes Treffen wird vorher das Thema bzw. die Zielsetzung festgelegt. Gleichzeitig wird vereinbart, welche Vorbereitungen jeder Teilnehmer zu treffen hat. Wenn diese Vereinbarungen klar und eindeutig sind, ist nicht nur die Gefahr von Enttäuschungen geringer, sondern auch von Abschweifungen. Solche detaillierten und von allen akzeptierten Vereinbarungen setzen den Gruppenmitgliedern ein Ziel und ermöglichen es, gleich zum Thema zu kommen.

*       Bei der Prüfungsvorbereitung - und ganz allgemein bei der Bearbeitung größerer Stoffgebiete - ist es sinnvoll, für jede Zusammenkunft ein Teilgebiet zu bezeichnen und von allen Gruppenmitgliedern die gleichen Vorbereitungen treffen zu lassen (Durcharbeiten der entsprechenden Kapitel der Fachbücher und der Vorlesungsnotizen, Erstellen eines Fragenkatalogs). In der Gruppendiskussion werden die Unklarheiten besprochen, die Fragen gegenseitig zur Beantwortung vorgelegt. Alle Teilnehmer stellen auf diese Weise fest, ob ihr Wissen noch Lücken aufweist.

Bearbeitung von Fachliteratur

Lerngruppen eignen sich vor allem auch für die kritische Bearbeitung und systematische Nachbereitung von Fachliteratur. Zunächst werden die gewählten Bücher von jedem Gruppenmitglied gelesen, jeder erstellt eine Zusammenfassung, notiert sich seine offenen Fragen, seine Hinweise auf Unklarheiten, Unstimmigkeiten, Querverbindungen mit anderen Quellen. Am Gruppentreffen werden die Zusammenfassungen verglichen, überlegt, welches die wesentlichen Punkte sind, und die Gedanken der Teilnehmer zur Lektüre diskutiert.

Später kann eine Arbeitsteilung vorgenommen werden, indem nicht mehr alle Mitglieder jedes Buch selbst lesen müssen, sondern von den Vorarbeiten der anderen profitieren können. In einem Übergangssta­dium lesen noch jeweils zwei Teilnehmer dasselbe Buch und vergleichen anschließend ihre Notizen, schließlich übernimmt jeder ein anderes Buch.

Natürlich eignet sich dieses Vorgehen nicht für die gesamte Fachlite­ratur. Grundlagenwerke müssen von jedem Lernenden selbst systema­tisch durchgearbeitet werden. Wenn aber die ergänzenden Fachbücher wie auch einzelne Fachzeitschriften unter den Gruppenmitgliedern aufgeteilt werden, gewinnt jeder einen Überblick über ein wesentlich breiteres Spektrum von Literatur als er allein erarbeiten könnte.

Je nach Bedeutung und Komplexität des Themas kann dann vom jeweiligen Buch eine schriftliche Zusammenfassung zuhanden der Gruppenmitglieder ausgearbeitet, an einer Zusammenkunft über den Inhalt referiert, den ändern die wichtigsten Abschnitte zum Nachlesen angegeben oder eine Kombination aller Vorgehensweisen gewählt werden.

Wenn die Gruppe wirklich von dieser Arbeitsteilung profitieren soll, ist es wichtig, dass kritisch gelesen und beim Zusammenfassen deutlich zwischen dem Inhalt des Buches und den eigenen Überlegungen dazu unterschieden wird. Auch die Gruppe muss natürlich kritisch zuhören, überlegen, ob die Ausführungen logisch und die Argumente stichhaltig sind, und notfalls weitere Informationen anfordern.

Eine Arbeitsteilung ist auch von Vorteil, wenn das Ziel der Gruppe in einer gemeinsamen Semesterarbeit besteht. Dabei muss darauf geachtet werden, dass nicht nur zu Beginn die gemeinsamen Ziele und die von jedem zu erledigenden Arbeiten genau festgelegt werden, sondern dass auch im weiteren Verlauf jeder genau über die Arbeiten und Fort­schritte der anderen informiert wird. Es genügt nicht, kurz zu orientie­ren - wenn wir wirklich von der Gruppe profitieren wollen, müssen wir unsere Überlegungen, Probleme und Schwierigkeiten darstellen und Lösungen im Gespräch suchen.

Gruppen- und Einzellernen

Die Bildung von Lerngruppen ist sehr zu empfehlen - doch wäre es ebenso falsch, alle Lernarbeit in der Gruppe zu erledigen wie immer nur allein zu „büffeln". Dies nicht nur deshalb, weil wir in der Prüfungssitua­tion in aller Regel allein arbeiten müssen und die ständige Teamarbeit zu Unselbständigkeit und dazu führen kann, dass man sich dann verloren fühlt.

Bei vielen Lernarbeiten stört die Gegenwart anderer auch mehr als sie hilft. Dies betrifft vor allem die erste Auseinandersetzung mit dem Wissensstoff, das Lesen von Büchern, Überarbeiten von Notizen, Schreiben von Berichten, Formulieren von Gedanken, Festhalten der eigenen Überlegungen beispielsweise als Vorbereitung auf eine Diskussion.

Untersuchungen zeigen auch, dass Einzelne kreativer sind als Grup­pen, dass von einer Gruppe weniger Ideen produziert werden als von der gleichen Anzahl allein Arbeitender.

Allgemein gilt, dass Aufgaben, die ein divergierendes Denken (mög­lichst viele verschiedene Lösungen) erfordern, besser von einer gleichen Anzahl Einzelpersonen gelöst werden, während Gruppen bei Proble­men, die ein konvergierendes Denken (Finden der besten Lösung) verlangen, dem Einzelnen überlegen sind. Aus einer Gruppenarbeit gehen meist weniger, aber genauere Ergebnisse hervor.

Zu empfehlen ist deshalb ein Wechsel zwischen Einzel- und Gruppen­arbeit. Jeder arbeitet sich zunächst allein in das Gebiet ein, notiert seine Überlegungen und seine Fragen. In der anschließenden Diskussion werden die Kenntnisse vertieft, Ideen und Gedanken ausgetauscht, Fragen beantwortet, Formulierungen kritisch geprüft. Die nächste Einzelarbeit dient der Überarbeitung der ersten Entwürfe, dem Weiter­entwickeln der Anregungen, dem Schließen von Wissenslücken durch weitergehende Lektüre, dem Zusammentragen von Fragen für die nächste Gesprächsrunde usw.