Kognitive Strukturen:
Voraussetzung und Ziel des Lernens
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Lernen schafft neue kognitive Strukturen, aber Lernen
setzt auch gewisse kognitive Strukturen voraus. In der Erörterungen zur
Motivation wird aufgezeigt, dass
Überlegungen (= kognitive Akte) zu den Ursachen des Erfolgs und Misserfolgs
maßgeblich die Motivation und damit das Lernen beeinflussen. Hier sollen nun die
Überlegungen zur kognitiven Struktur als Voraussetzung des Lernens auf die
Aspekte „Selbstkonzept“ und „Lernvoraussetzungen“ erweitert werden. |
Selbstkonzept
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Jeder Lerner entwickelt (neben anderen
Selbstbildern) ein Selbstbild, das aus beschreibenden und emotiven Aussagen
über das eigene Lernvermögen besteht.
Eine beschreibende Aussage wäre „ich kann gut lesen“ und eine emotive (wertende)
Aussage wäre „ich bin stolz auf meine Leistung im Kopfrechnen“. Selbstkonzept und Leistung hängen miteinander zusammen, wobei die Frage weitgehend offen bleiben muss, ob
gute Leistungen durch das positive Selbstbild befördert werden oder die
Ursache für ein positives Selbstbild sind. Wahrscheinlich handelt es sich um
ein wechselseitiges Beeinflussen. (Das Selbstkonzept und sein Einfluss auf
die Lernleistung findet sich mit einem leicht verschobenen Akzent auch unter
dem Aspekt der Erwartungsperspektive/Erfolgsorientierung.) Eine Selbsteinschätzung
bedarf eines Bezugspunktes.
Der sog. Bezugsgruppeneffekt weist darauf hin, dass die Selbsteinschätzung
maßgeblich durch den Vergleich mit der umgebenden Bezugsgruppe beeinflusst
wird. In leistungsschwächeren Gruppen bewertet man sich selbst
positiver als in leistungsstärkeren Gruppen. Zusammengefasst heißt
das: Ein positives
Selbstkonzept des Lerners entsteht durch Erfolg im Vergleich zur
Bezugsgruppe. |
Lernvoraussetzung
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Es ist eine simple,
aber oft übersehen Tatsache, dass Lernen gewisse Fähigkeiten voraussetzt. Bei diesen
Voraussetzungen kann zwischen gelernten und gereiften Voraussetzungen
unterschieden werden. Gelernte Voraussetzung bezeichnen ein bestimmtes Wissen
und bestimmte Fertigkeiten, die es erst ermöglichen, die Lösungen eines
Problems, die als Lernen beschrieben werden, zu reproduzieren. Will man das
Rettungsschwimmen erlernen, so wird man im Vorfeld zuerst das Schwimmen
lernen müssen, da man sonst nicht fähig ist, den Instruktionen des
Rettungsschwimmlehrers (= Lösungen) zu folgen und die entsprechenden Hilfsmassnahmen
zu reproduzieren. Will man aus einem Buch lernen, setzt dies voraus, dass man
lesen kann, ansonsten wird man das Wissen aus diesem Buch (= Lösungen auf
gewisse Fragen) nicht reproduzieren können. Diese gelernten Voraussetzungen können auch als
individuelle Lerngeschichte bezeichnet werden. Die Abgrenzung zwischen Lernvoraussetzung und Lernen
selbst ist eine Frage der Perspektive. Diese Perspektive wird durch die zur
Verfügung stehenden Lernmedien bestimmt,
wobei meist davon ausgegangen wird, dass das Lernen bei den spezifischen
Eigenschaften des Lerninhaltes beginnt. Beim Schreibenlernen ist die
Voraussetzung entsprechend die Fähigkeit, einen Schreiber zu halten und in
gewissem Masse koordiniert zu bewegen, das Lernen umfasst die Kenntnisse der
Zeichen und die motorische Fähigkeit, diese fließend zu reproduzieren. Spezifische
Lernvoraussetzungen werden gelernt. Gereifte
Voraussetzungen beziehen sich hingegen auf die strukturellen Voraussetzungen,
d. h. die Möglichkeit, die Lösung eines Problems auf Grund der strukturellen
Gegebenheiten zu reproduzieren. So haben Menschen erst um die Zeit der
Pubertät herum die vollständige Myelinisierung der Nervenfasern abgeschlossen.
Diese Myelinisierung erhöht die Leitungsgeschwindigkeit und macht gewisse
Lernprozesse erst möglich (diese langsame und bereichsbezogene Myelinisierung
ordnet den Lernprozess im Leben; gewisse Dinge können auch erst zu einem
gewissen Zeitpunkt gelernt werden). Voraussetzungen durch Reifungen können aber nicht nur
als Reifegrad, ab dem etwas gelernt wird, sondern zum Teil auch als
Reifegrad, in dem etwas gelernt werden kann, verstanden werden. Es gibt also
für gewisse Lerninhalte eine sog. sensible Phase. Vor und nach dieser Phase,
kann sich das Lernen für diese Inhalte nicht oder nur beschränkt vollziehen
(Siehe hierzu die Ausführungen von Wolf Singer). Der Erforschung
dieser Phasen widmet sich besonders die Entwicklungspsychologie Eng verwandt mit den
gereiften Lernvoraussetzungen sind die Konzepte der Lernfähigkeit und der Intelligenz. Unter Lernfähigkeit
wird die Fähigkeit verstanden, neue Informationen aufzunehmen und
einzuordnen. Lernfähigkeit ersetzt oft den Begabungsbegriff und umfasst
Kapazität, Leichtigkeit des Lernens, Nachhaltigkeit, Anregbarkeit,
Lernintensität und Lernbereitschaft. Undeutlich ist die Abgrenzung vom Intelligenzbegriff,
der sich in der Literatur äußerst schillernd präsentiert. Meist wird Intelligenz
als angeborene Fähigkeit verstanden, Probleme aufgrund von Denken (und nicht
Erfahrung), d. h aufgrund des Erkennens der Beziehungen der
Situationsfaktoren zu lösen. Beide Konzepte scheinen mehr Fragen als Antworten
aufzuwerfen, auch wenn Intelligenztests – was immer sie auch messen – in
geringem Maße den beruflichen Erfolg (in der westlichen Welt) voraussagen
können. Zusammengefasst könnte
man sagen: Lernmedium
und Lerner sind so aufeinander abzustimmen, dass der Lerner die Lösungen des
Lernmediums erfassen kann. Es gibt für gewisse Lerninhalte
Reifungsvoraussetzungen bzw. Zeitfenster, die das Lernen optimieren oder gar
erst ermöglichen. |
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